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Über 1.100 Teilnehmer besuchten die Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) – mehr als beim letzten Präsenzkongress der ADO vor der COVID-Pandemie. Vorgestellt wurden neue klinische und experimentelle Studiendaten zum häufigen Melanom, aber auch zu seltenen kutanen Tumorentitäten.

Hautkrebs – eine Volkserkrankung
Weiterhin ist bei Melanom, Basalzell- und Plattenepithelkarzinom der Haut von einer Zunahme der Inzidenz von 4 % pro Jahr auszugehen, beklagte Tagungspräsident Dr. Peter Mohr, Buxtehude, die Tatsache, dass mögliche Präventionsmaßnahmen bislang nicht greifen. Vielmehr ist auf diesem Gebiet aufgrund der COVID-Pandemie ein Rückschlag festzustellen: Die Tumordicke von Plattenepithelkarzinomen und Melanomen hat im Vergleich zu früheren Jahren zugenommen, was sich auf die Prognose der Betroffenen ungünstig auswirkt.
Laut Daten des Robert-Koch-Instituts wird jährlich bei rund 300.000 Patienten Hautkrebs dia­gnostiziert. Da Betroffene häufig mehrere Tumoren aufweisen, ist laut Mohr vermutlich von einer Neuerkrankungszahl von 450.000 bis 500.000 Fällen auszugehen. „Somit ist Hautkrebs als Volkserkrankung zu betrachten“, kommentierte der Dermatologe.

Leitlinie zu superfiziellen Leiomyosarkomen
Zu dermalen und subkutanen Leiomyosarkomen (LMS), die 2–3 % aller kutanen Sarkome stellen und hauptsächlich Menschen zwischen 50 und 80 Jahren betreffen, wurde kürzlich eine S1-Leitlinie erarbeitet. Dermale LMS gehen typischerweise von den in der Dermis gelegenen Haarbalgmuskeln, subkutane LMS von der Gefäßmuskulatur der Subkutis aus, erläuterte PD Dr. Doris Helbig, Köln. Klinisch präsentieren sich superfizielle LMS als schmerzhafte, 0,3 bis 3 cm große erythema­töse bräunliche Noduli oder Nodi, bevorzugt an unteren Extremi­täten, Rumpf oder Kapillitium. Sie sind oft nur schwer von benignen Leiomyomen abzugrenzen.
Helbig wies darauf hin, dass superfizielle LMS selten auch im Rahmen syndromaler Erkrankungen wie dem Reed-Syndrom oder dem Li-Fraumeni-Syndrom oder bei langfristig immunsupprimierten Patienten (nach Transplantation, bei HIV-Infektion) auftreten können.
Bei sehr großen subkutanen LMS, nicht jedoch bei den rein dermalen LMS, bewertet die S1-Leitlinie die präoperative Bildgebung als sinnvoll, da in einem kleinen Prozentsatz Metastasen detektiert werden können. Bei superfiziellen LMS im Rahmen syndromaler Krankheitsbilder empfiehlt die Leitlinie eine Schnittbilddiagnostik zum Ausschluss weiterer Malignome.
Die Prognose der superfiziellen LMS ist im Gegensatz zu denen der tiefen Weichgewebe recht gut: Beim dermalen LMS sind Lokalrezidive nach R0-Resektion sehr selten; nach Rx-Resektion liegt das rezidivfreie Überleben bei 80–90 %. Auch subkutane LMS rezidivieren nach R0-Resektion selten. Bei dermalen LMS ist eine Metastasierung ­extrem selten; man beobachtet sie lediglich im Falle pleomorpher bzw. gering differenzierter ­Tumoren. Bei den subkutanen LMS korrelieren Tumorgröße und subkutane Beteiligung mit dem Metastasierungsrisiko, wobei Metastasen vor ­allem in Haut und Lunge auftreten.
Dermale LMS sind der Leitlinie zufolge mittels ­mikroskopisch kontrollierter Exzision und einer ­Erweiterung des Sicherheitsabstands (SA) auf 1 cm ausreichend behandelt. Bei den subkutanen LMS spricht sich die Leitlinie für ein interdisziplinäres Vorgehen aus. Auch hier erfolgt primär eine Resektion mit weitem SA von 2 cm bzw. bis zur Faszie. Bei Inoperabilität oder unvollständiger Exzision ist ggf. eine Nachbestrahlung des Tumor­areals indiziert.
Eine medikamentöse Therapie ist bei metastasierten LMS angezeigt, wobei es sich um eine individuelle Therapieentscheidung in Anlehnung an Studien bei tiefen Weichteilsarkomen handelt. Chemotherapien erwiesen sich in Fallberichten als erfolgreich, während die Checkpoint-Blockade bei LMS mangels positiver Ergebnisse nicht empfohlen wird. Auch für die Nachsorge von super­fiziellen LMS gibt es bislang keine klare Evidenz. Klinische Nachsorgeuntersuchungen werden beim dermalen LMS initial alle sechs Monate, in Jahr 3–5 in jährlichem Intervall empfohlen. Beim subkutanen LMS und Rezidiv-LMS spricht sich die Leitlinie für engere Intervalle von drei Monaten (Jahr 1 und 2) bzw. sechs Monaten (Jahr 3–5) aus. Auch sollte in diesen Fällen zusätzlich alle sechs Monate eine Sonografie der Narbe und der Umgebung erfolgen, riet Helbig.

Denosumab mit immunmodulatorischem Effekt
Im Rahmen der Knochenmetastasierung stimu­lieren Tumorzellen Osteoblasten, die daraufhin RANK-L (Receptor Activator of Nuclear factor κ-B Ligand) sezernieren. Dieser bindet an Osteoklasten und steigert deren Proliferation, was in der Folge zu einer verstärkten Knochenresorption und Ausschüttung Tumor-stimulierender Wachstumsfaktoren führt, erläuterte Dr. Katrin Schaper-Gerhardt. Dieser Teufelskreis wird durch den gegen RANK-L gerichteten Antikörper Denosumab durchbrochen, der die Osteoklasten-Proliferation inhibiert. Darüber hinaus zeigen Studien, dass Denosumab auch auf Tumor- und T-Zellen wirkt und so die klinische Aktivität der Immuncheckpoint-Inhibition (ICI) verstärken könnte.
Diese Hypothese wurde in der prospektiven Phase-IV-Studie BONEMET an 16 Patienten mit inoperablen Melanomen (Stadium IV) und mindestens einer Knochenmetastase geprüft, die eine kombinierte ICI mit Nivolumab/Ipilimumab und gleichzeitig Denosumab erhielten. Vor und während der Behandlung wurde die Dynamik der T-Zellpopulationen und Zytokine im Blut bestimmt. Im Verlauf von 24 Wochen wurden eine Reduktion der zirkulierenden naiven T-Zellen und ein Anstieg der zytotoxischen T-Zellen beobachtet. Auch die Konzentration proinflammatorischer Zytokine wie Interferon γ stieg innerhalb von vier Wochen signifikant an.
Im Vergleich zu einer Kontrollkohorte von 18 Patienten, die nur eine kombinierte ICI erhielten, ließ sich bei den zusätzlich mit Denosumab behandelten Patienten eine signifikant verstärkte Hochregulation des Chemokins CXCL13 feststellen, das für eine vermehrte Migration naiver T-Zellen in das Tumorgewebe sorgt und so die antitumorale Immunität im Tumor-Mikromilieu steigert. Gleichzeitig kommt es zur Downregulation des proliferatorisch und angiogenetisch wirkenden VEGFc im Serum, sodass ein osteoprotektiver Effekt erreicht wird.
In dieser Studie wurde aufgrund des nur kurzen Follow-up kein Unterschied zwischen den kombiniert mit Denosumab behandelten Patienten und der Kontrollkohorte bei Ansprechen und progressionsfreiem Überleben beobachtet. Doch zeigt eine Auswertung des Registers ADOREG ­eine tendenzielle Verbesserung des Gesamtüberlebens unter dualer ICI und gleichzeitiger osteoprotektiver Therapie. In der Zusammenschau sprechen die Daten dafür, dass Denosumab in der Tat immunmodulatorische Effekte besitzt, resümierte Schaper-Gerhardt.


mRNA-Vakzine als adjuvante Therapie erfolgreich
Als „Revolution in der Melanomtherapie“ bezeichnete Prof. Dr. Olivier Michielin, Genf, die Entwicklung von mRNA-Vakzinen, die sich bereits bei der Bekämpfung von COVID-19 als sehr erfolgreich erwiesen. Die bisher für das Melanom entwickelten Impfstoffe zeigten keinen wesentlichen Benefit, was Michielin darauf zurückführte, dass sie gegen Tumor-assoziierte Anti­gene gerichtet waren. Dagegen richten sich die neuen mRNA-Vakzinen gegen tumorspezifische Antigene (TSA), d.h. spezielle Mutationen im ­Tumor eines gegebenen Patienten.
Zur Herstellung dieser personalisierten Vakzine wird Blut und Tumorgewebe des Patienten gewonnen und deren DNA sequenziert, um die ­jeweiligen Neoantigene zu identifizieren. Die ­kodierenden Sequenzen der immunogen potentesten TSA werden in Form von mRNA in einen Vektor eingebracht, in Lipid-Nanopartikel verpackt und dem Patienten i.m. oder i.v. injiziert. Diese individualisierten Impfstoffe können ­innerhalb von ca. sechs Wochen hergestellt ­werden.
Aus der randomisierten Phase-II-Studie KEYNOTE-942 liegen bereits erste Ergebnisse zur individualisierten Vakzine mRNA-4157vor, die für bis zu 34 Neoantigene kodiert. Sie schloss 157 Patienten mit komplett resezierten Melanomen der ­Stadien IIIB/C oder IV ein, die im Verhältnis 2:1 zur Vakzine plus Pembrolizumab oder zu Pebrolizumab allein randomisiert wurden. Erreicht wurde eine Reduktion des Rezidivrisikos um 44 % im Vergleich zur ICI allein (HR 0,561; p=0,0244). Das Risiko für eine Fernmetastasierung wurde ebenfalls signifikant um 65 % gesenkt (HR 0,347; p=0,0063) – ein Ergebnis, das Michielin als „unglaublich“ wertete, wurde es doch versus einen aktiven Kontrollarm erzielt. Die positiven Daten sollen jetzt in einer noch dieses Jahr startenden Phase-III-Studie verifiziert werden.

Dr. Katharina Arnheim

Quelle: Deutscher Hautkrebskongress und ADO-Jahrestagung in Hamburg vom 6. bis 9. September 2023

Foto: Arnheim

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